Kinder trauern anders
Die Fragen, die Kinder anlässlich des Todesfalls oder der Beerdigung eines Familienmitglieds stellen, erschrecken uns manchmal oder lassen uns schlucken – fast immer fällt es uns schwer, die richtige Antwort zu finden. Besonders in einer Situation, in der wir ja selbst sehr stark angegriffen sind. Die Unbekümmertheit dieser Kinderfragen liegt darin begründet, dass das Sterblichkeitswissen von Kindern sich erst im Alter von 9 bis 14 Jahren dem von Erwachsenen annähert. Die Bedeutung des Todes ist ihnen vorher noch nicht klar. Eine gewisse Faszination ist aber da: Kinder untersuchen tote Vögel und Mäuse, beerdigen ihre Haustiere sorgfältig und liebevoll und haben eine unterbewusste Ahnung von der Endlichkeit aller Lebewesen. Was hierbei für Erwachsene in seiner Konsequenz häufig erschreckend ist, erscheint für Kinder häufig nur merkwürdig – und verunsichernd, wenn sie direkt vom Verlust einer vertrauten Person betroffen sind.
Das kindliche Sterblichkeitswissen
Säuglinge und Kleinkinder haben noch kein reflektiertes Verhältnis zum Tod. Sie empfinden lediglich Trennungsschmerz und Kummer, wenn eine vertraute Person fehlt. Im Alter von bis zu drei Jahren sind Tote für Kinder einfach nur nicht anwesend, erst danach entwickeln sie nach und nach ein Verständnis der zeitlichen Dimension „für immer“, wobei ängstliche und schmerzhafte Gefühle häufig durch Aufsässigkeit oder übertriebene Albernheit abgewehrt werden. Im Alter von bis zu neun Jahren wird zwar die Unabänderlichkeit des Todes begriffen, aber es herrscht noch die Vorstellung vor, dass man ihm entgehen kann. In der nächsten Entwicklungsstufe, im Alter von zehn bis zwölf Jahren, nähert sich das Kind schließlich dem Erwachsenen an. Es begreift die Konsequenzen des Todes und ist in der Lage, die dazugehörigen Trauergefühle auszudrücken, z.B. Trauerschmerz, Sehnsucht, Schuldgefühle oder Angst vor dem eigenen Tod oder einem weiterem Verlust. In diesem Alter beginnen Kinder selbst über Leben und Tod nachzudenken und schwanken dabei zwischen Neugier und Verdrängung. Jugendliche erleben Trauer sehr intensiv, da ihnen die Auswirkungen eines Verlustes auf ihren Lebensalltag deutlich bewusst sind.
Kindern das Unbegreifliche verständlich machen
Wenn wir im Todesfall mit kleinen Kindern zu tun haben, müssen wir die mit dem Tod verbundenen Vorstellungen im Hinterkopf behalten. Wir müssen behutsam sein, sollten aber auch von unredlichen Beschönigungen absehen. Schließlich wollen wir die Kinder, die wir lieben, einführen in das Leben mit all seinen auch manchmal schmerzhaften Facetten, und ihnen ehrliche Antworten geben, wenn es um den Tod geht.
Kinder trauern willkürlicher und sprunghafter als Erwachsene. Sie stellen merkwürdig konkrete Fragen, etwa ob Oma jetzt noch ihre Brille braucht oder Vaters Bart unter der Erde weiter wächst. Kinder sind stille Beobachter oder aberwitzige Entertainer, drücken ihre traurigen Gefühle deutlich aus oder leise – mit dem Lieblingsstofftier im Arm. Kinder und Jugendliche vereint in der Trauer das Bedürfnis nach Begleitung und Akzeptanz. Je mehr sie an den Prozessen des Abschieds und der Trauer beteiligt werden, desto eher sind sie in der Lage, ihre eigenen Möglichkeiten der Trauerbewältigung zu finden. Erwachsene können hierfür begünstigende Vorrausetzungen schaffen durch:
- Unverzügliche, ehrliche Information über den Tod einer vertrauten Person
- Bewusste Sprache: „Tod“, „Sterben“, „lebt nicht mehr“, „für immer“, „nie mehr“ etc.
- Möglichkeit, sich zu verabschieden
- Sprechen über die verstorbene Person und die eigene Trauer
- Rituelle und kreative Verarbeitung der Gefühle
- Akzeptanz kindlicher Formen der Trauer
- Beibehalten des gewohnten Tagesablaufs
- Möglichkeit, des Verstorbenen zu gedenken (Gedenkecke im Haus, Lieblingskleidungsstück/Erinnerungsstück aussuchen, Grabgestaltung und Grabbesuche, etc.)
- Förderung neuer Beziehungen und Lebensbezüge ohne Gefühl, den Verstorbenen dadurch zu verraten oder zu vergessen
Kinder auf der Beerdigung
Oft fragen uns Eltern, ob ihre Kinder zur Beerdigung mitkommen „dürfen“. Dafür kann es keine allgemeingültige, pauschale Antwort geben. Denn unabhängig vom Stand des Sterblichkeitsverständnisses bringt jedes Kind seine eigene Persönlichkeit mit. Kleinkinder werden von einer Beerdigung wahrscheinlich nicht viel mitbekommen. Vielleicht registrieren sie die Besonderheit der Situation, die schwarze Kleidung und die Tränen der Anwesenden, aber es ist nicht damit zu rechnen, dass sie davon negativ geprägt werden. Viel größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich langweilen, unruhig werden, herumlaufen und spielen wollen oder aber Fragen stellen. Ob man ein Kleinkind mit zur Beerdigung nehmen möchte, hängt also weniger von der Belastbarkeit des Kindes ab, als von der Toleranz der Trauergemeinde, die sich vielleicht gestört fühlt.
Älteren Kindern hilft man, indem man sie auf das Ereignis einer Beerdigung gut vorbereitet. Eltern und Verwandte sollten ihnen vorab eine Vorstellung davon vermitteln, was sie genau erwartet, was wann passiert und warum. So bietet man ihnen Orientierung und Sicherheit in einer potenziell verstörenden, emotional schwierigen Situation. Auch ist es wichtig, während der Zeremonie an ihrer Seite zu bleiben, um eventuelle Fragen beantworten oder auf emotionale Ausbrüche reagieren zu können.
Zum Abschluss möchten wir Ihnen zwei Literaturtipps zum Thema „Kinder trauern anders“ geben:
Kinderbuch “Was passiert mit Hilde Mück?”
Im hohen Alter kommt Hilde Mück friedlich zum Ziel Ihrer Lebensreise: Sie war Oma und Mutter, Ehefrau und Familienmittelpunkt. In kindgerechter Sprache erzählen die Autorin Susanne Maibaum und die Zeichnerin Kirsten Vollmer die Geschichte ihres Sterbens, des Abschieds, der Trauerfeier und der Beerdigung.
Idealtypisch wird ein würdevolles Sterben im Kreise der Familie nachgezeichnet. Gleichzeitig vermittelt das Kinderbuch Wissen über die letzten Dinge: Was ist ein Bestattungswagen, was bedeutet Verbrennung, was leistet ein Bestatter?
Für Kinder von 6 bis 12 Jahren und für Erwachsene die berührbar geblieben sind.
Das Kinderbuch „Was passiert mit Hilde Mück“ erhalten Sie als unser Kunde auf Wunsch im Trauerfall kostenfrei, alternativ für 6,50 Euro inkl. MwSt. zzgl. Portokosten.
Kinderbroschüre “Helft Kindern, den Tod zu begreifen”
Die Kinderbroschüre „Helft Kindern, den Tod zu begreifen“ gibt Eltern Anregungen und Hilfestellungen, wie sie den richtigen Zeitpunkt für ein Gespräch über den Tod mit ihren Kindern finden. Es wird deutlich, dass die Art des Gesprächs individuell vom Alter des Kindes und der jeweiligen Situation abhängt. Auch wenn es kaum möglich ist, ein Patentrezept zu liefern, hilft das Buch weiter, die kindlichen Entwicklungsphasen kennenzulernen.
Die reich bebilderte Broschüre trägt dazu bei, der Verdrängung des Todes entgegenzuwirken. Eltern wird es ermöglicht, gemeinsam mit ihren Kindern Trauer zu bewältigen, indem sie sich bewusst mit dem Phänomen und den Phasen der Trauer auseinandersetzen.
Die Broschüre „Helft Kindern, den Tod zu begreifen“ erhalten Sie als unser Kunde auf Wunsch im Trauerfall kostenfrei, alternativ für 4,50 Euro inkl. MwSt. zzgl. Portokosten.